Célestin Freinet (1896 – 1966)
1896 geboren und als Bauernsohn selbst ein „gebranntes“ Kind der traditionellen Schule, versuchte er 1920 als Dorfschullehrer von Anfang an eine andere Erziehung zu entwickeln. Er suchte Wege, innerhalb der staatlichen Regelschule unter einfachen materiellen Verhältnissen eine Pädagogik des Volkes zu begründen.
Er forderte einen lebendigen, lebensfrohen Unterricht, der an schöpferischer, eigenständiger und produktiver Arbeit orientiert ist.
Lernen in der Schule bedeutete für ihn, den Kindern Mittel und Techniken zu geben, mit denen sie selbstständig forschend Fragen aus ihrer Lebenswelt beantworten können.
Élise Freinet (1898 – 1983)
Élise Freinet war eine französische Künstlerin, Reformpädagogin und zusammen mit Célestin Freinet Mitbegründerin der Freinet-Pädagogik.
Die Lehrerin und Holzschnittkünstlerin (geboren als Elise Lagier Bruno ) arbeitete eng mit Célestin Freinet zusammen und die beiden heirateten im Jahr 1926. Aus ihrer Ehe ging Balouette, ihre einzige Tochter hervor. Intensive Beobachtungen und Aufzeichnungen ihrer Tochter bildeten die Grundlage für die “Natürliche Methode”, vom Schreiben- und Lesenlernen.
Der kreativ- künstlerische Aspekt innerhalb der “Ecole Moderne“ wird Elise Freinet zugeschrieben. Im Unterschied zu Célestin schrieb sie dem Lehrer größere Verantwortlichkeit zu.
In zahlreichen Aufsätzen setzte sie sich mit der Einführung in die Kunst, Kinderzeichnungen und Kinderliteratur auseinander.
Élise Freinet entwarf 1948 das Drehbuch zum Spielfilm L´Ecole Buissonnière, welcher das Leben Célestin Freinets von 1920-1933 zeitlich gerafft darstellt.
Stationen im Leben von Célestin Freinet
1896
Freinet wurde am 15. Oktober als fünftes von acht Kindern einer Bauernfamilie in einem kleinen Dorf in der Provence geboren. Seine eigene Schulzeit erlebte der aufgeweckte und freiheitsliebende Junge als Qual. Diese Erfahrungen prägten Anschauungen und Handeln des späteren Pädagogen ebenso wie seine enge Verbundenheit mit der Natur, Land und Leute.
1915
Zum Kriegsdienst eingezogen erlitt Freinet eine schwere Lungenverletzung und seine Kriegserfahrungen machten ihn zeitlebens zum überzeugten Pazifisten.
1920
Trotz der Verletzungsfolgen schaffte es Freinet, seine erste Lehrerstelle in der winzigen, armselig ausgestatteten Dorfschule von Bar-sur-Loup anzutreten. Hier entstand nun Anfang der 1920er Jahre die „Freinet- Pädagogik”, als mehrere Kollegen sich zusammen taten und versuchten, Unterricht gemeinsam zu verändern.
Um die lebensfremde Atmosphäre aus seiner Klasse zu verbannen, verließ der junge Lehrer bald nachmittags mit den Kindern die Schule und beobachtete Bauern und Handwerker bei ihrer Arbeit. Anschließend verfassten die Kinder Texte über ihre Eindrücke und machten sich in der Schule mit handwerklichen Tätigkeiten vertraut.
1923
Freinet kaufte eine Druckerpresse und ließ seine SchülerInnen freie Texte ohne vorgegebenes Thema schreiben und drucken. Bald entstanden daraus Klassenzeitungen. Die Praxis des freien Textes und der Schuldruckerei ersetzten allmählich die herkömmlichen Schulbücher und halfen, „den Kindern das Wort (zu) geben”. Die Druckerei wurde zum Symbol der rasch wachsenden „Freinet- Bewegung”, die untereinander durch ein Netz von Kooperation, Korrespondenz, sowie Treffen und Tagungen verbunden war.
1924
Freinet und zahlreiche gleich gesinnte Kollegen gründeten eine „Kooperative”, die pädagogische Zusammenarbeit organisierte und Arbeitsmittel und Materialien herausgab (Cooperative de l Ènseignement Laic, C.E.L.), aus der allmählich die französische Lehrerbewegung der „Ecole Moderne” hervorging. Ihr Ziel war es, die alte Buch- und Paukschule von innen heraus umzugestalten – durch die Kooperation zwischen einer stetig wachsenden Zahl von LehrerInnen. Ihre politischen Absichten unterschieden diese Bewegung von anderen reformpädagogischen Strömungen: Als „Pädagogik des Volkes” erstrebte sie emanzipatorische Ziele und ergriff Partei für die Kinder der Unterprivilegierten.
1926
Freinet produzierte seine erste eigene Schuldruckpresse und entwickelte in den Folgejahren noch einfachere, handlichere Modelle, um die Schuldruckerei massenhaft verbreiten zu können. Immer mehr französische Schulkassen traten in Korrespondenz und tauschten Texte, Klassenzeitungen und Arbeitsergebnisse aus. Im gleichen Jahr heiratete er Élise, Zeit seines Lebens seine engste Mitarbeiterin. Freinet arbeitete aktiv in der Gewerkschaft und wurde Mitglied der Französischen Kommunistischen Partei, die ihn Anfang der 50er Jahre wieder ausschloss, da er und seine pädagogische Bewegung sich nicht auf „Parteilinie” bringen ließen.
1927
Der erste Kongress der „Ecole Moderne” fand statt, der fortan jährlich abgehalten wurde . Die „Kooperative” vertrieb Druckereien, Arbeitskarteien, die „Nachschlagekiste”, Lesehefte und Arbeitsmittel, die nun endgültig die Schulbücher verdrängten und selbst organisierte „Freie Arbeit” ermöglichten.
1928
Célestin und Élise wechselten nach St. Paul de Vence an eine Schule, an der beide unterrichten konnten. Die wachsende pädagogische Bewegung, die die Grundlagen der bestehenden Schule in Frage stellte, brachte heftige Konflikte mit der Schulbürokratie mit sich.
1932
Schüler Freinets berichteten in einem freien Text über ein kirchliches Fest, bei dem auch der Pfarrer betrunken war. Daraufhin brach ein offener Schulkampf aus, der sich bald zu einer brisanten schulpolitischen Auseinandersetzung auf nationaler Ebene entfaltete, die mit der Entlassung Freinets aus dem Schuldienst endete.
1935
Célestin und Élise eröffneten ein privates Landeserziehungsheim in Vence, das bald zum Zentrum praktischer pädagogischer Forschung wurde. Im Zentrum der Schule stand die praktische, sinnvolle, schöpferische und die das Kind entfaltende Arbeit. Mit dem Sieg der französischen Volksfront erfuhr die Freinetbewegung einen weiteren Aufschwung, bevor ihr durch die faschistischen Regierungen und den 2. Weltkrieg ein Ende gesetzt wurde.
1940
Freinet wurde in ein Internierungslager gebracht. Während dieser Zeit verfasste er grundlegende pädagogische Arbeiten. Nach seiner Entlassung organisierte er an führender Stelle die regionale Widerstandbewegung („Resistance”) mit. Gleich nach Kriegsende fand der erste Kongress der Nachkriegszeit statt. 1946 erschien sein Buch „LÈcole Moderne Francaise”, in dem er seine pädagogischen Ideen zusammenfasste. Er konnte seine Privatschule wieder eröffnen.
1948
Freinet begründete das „Institut Cooperative der LÈcole Moderne„ (ICEM”), dessen Arbeitsschwerpunkt die Erprobung, Weiterentwicklung und der Vertrieb von Arbeitsmitteln war und das regionale Lehrertreffen koordinierte.
1961
Die „Federation Internationale des Mouvements de LÈcole Moderne” (FIMEM) wurde ins Leben gerufen, die zur Koordinierung der Freinetbewegung in verschiedenen Ländern dienen sollte. Aus der Kooperation weniger französischer Volksschullehrer war eine internationale pädagogische Reformbewegung geworden.
1966
Am 8. Oktober starb Célestin Freinet in Vence.
Nach dem Tod ihres Ehemanns Célestin übernahm Élise Freinet die Verantwortung für die Freinet-Pädagogik. 1977 veröffentlichte sie das Buch L’itinéraire de Célestin Freinet, in dem sie das Lebenswerk ihres Ehemannes beschrieb.